"Kursk"-Bergung ist geheime Kommandosache
Russische Regierungskommission tagt hinter verschlossenen Türen - Streit über Umgang mit den Toten
Von Manfred Quiring
Moskau - Die Geheimniskrämerei um die Katastrophe der "Kursk" geht weiter. Die russische Regierungskommission unter Leitung von Vizepremier Ilja Klebanow tagte unter völliger Geheimhaltung in St. Petersburg. Die offiziöse russische Nachrichtenagentur Itar-Tass teilte lediglich mit, dass die Frage nach den Ursachen des Untergangs des Atom-U-Bootes auf der Tagesordnung "vorherrscht". Gleichzeitig sei die Bergung der Toten als eine der vorrangigen Aufgaben bei der weiteren Operation in der Barentssee festgelegt worden. Kreml-Chef Wladimir Putin hatte den Angehörigen der Opfer während ihres mehrstündigen Treffens in der Marinebasis Widjajewo die Garantie gegeben, dass alles Menschenmögliche getan werde, um alle Toten an die Oberfläche zu bringen.
Das hält der Generaldirektor des Konstruktionsbüros Rubin, Igor Spasski, durchaus für möglich. Ein entsprechendes Projekt sei bereits ausgearbeitet, sagte er der Agentur Interfax. Das Konstruktionsbüro zeichnet verantwortlich für die Projektierung des 1994 in Dienst gestellten Atomunterwasserkreuzers.
Spasskis Plan sieht vor, Löcher von 1,5 mal 0,7 Metern "in nahezu jeden Raum des U-Bootes zu schneiden", damit die Tiefseetaucher das Wrack betreten und die Körper der Toten bergen können. Das müsse bis Ende September oder Anfang Oktober geschehen, weil danach Stürme in der Barentssee jeden Bergungsversuch unterbinden würden.
Im kommenden Jahr soll Spasski zufolge dann das 155 Meter lange U-Boot mit seinen 18 000 Tonnen Wasserverdrängung gehoben werden. Das würden russische Institute und die einheimische Verteidigungsindustrie übernehmen. "Ausländischer Intellekt verschiedener Länder" sei ebenfalls willkommen.
Der ehemalige Chef der Schwarzmeerflotte, Admiral Eduard Baltin, hat den Vorstellungen des Rubin-Büros vehement widersprochen. Diese Idee sei völlig haltlos sowohl wegen wirtschaftlicher als auch wegen moralisch-psychologischer Gründe. "Selbst die besten Taucher werden nicht alle 118 Körper heben können", sagte er Interfax. So habe die Mannschaft die gesamte Ausrüstung nach eigenen Vorstellungen verstaut. Es sei kaum möglich, in der Dunkelheit, bedroht von im Boot verbliebenen Sprengköpfen, alle Seeleute zu bergen. Baltin hält es für das Beste, sich ganz auf die Hebung des Unterwasserkreuzers zusammen mit den Opfern im nächsten Jahr zu konzentrieren.
Konteradmiral Juri Senatski stimmte der Meinung Baltins zu und forderte, sich mit der Hebung des U-Bootes nicht allzu sehr zu beeilen. Wenn man tatsächlich den Grund für den Tod der Seeleute erfahren wolle, dann müsse es so erhalten bleiben, wie es heute ist, "umgeben von den heutigen Trümmern und Splittern", meinte Senatski.
Russland hält bislang an seiner Version eines Zusammenstoßes mit einem ausländischen Unterwasserfahrzeug fest. Die "New York Times" erhärtete dagegen die These, dass die Explosion eines Torpedos an Bord der "Kursk" wahrscheinlich zu deren Untergang geführt hat. Das Blatt berief sich dabei auf amerikanische Spezialisten, die die Akustikaufzeichnungen des US-Unterseebootes "Memphis" analysiert hatten. Die "Memphis" war eines der beiden amerikanischen U-Boote, die das russische Manöver in der Barentssee aus der Nähe verfolgt hatten.
Die Experten sind sich über den Hergang der Katastrophe völlig sicher: Ein Torpedo mit Raketenmotor versagte, der Motor oder der Treibstoff explodierte. "Innerhalb von zwei Minuten und 15 Sekunden, in denen der Kapitän entweder die Leistung des Reaktors erhöhte oder, in dem Versuch aufzutauchen, Ballast abwarf, riss die gewaltige Explosion des Torpedosprengkopfes ein riesiges Loch in den Bugteil des Unterseebootes, wobei ein großer Teil der Besatzung, wenn nicht alle, sofort getötet wurden", so die "Times".