Die Frau an der Seite des russischen Präsidenten
Ludmilla Putina gewährt erstmals einen ausführlichen und privaten Blick hinter die Kulissen der Macht
Von Jens Hartmann Berliner Morgenpost 29 dec 2001
Einig, wenn auch nicht immer einer Meinung: Präsident Putin und seine Gattin Ludmilla bei ihrem USA-Besuch Mitte November im texanischen Waco.
SAD Moskau - Für Ludmilla Putina brach eine Welt zusammen, als ihr Mann ihr vor zwei Jahren mitteilte, er wolle Präsident Russlands werden. Den ganzen Tag habe sie geheult, die Botschaft wie eine Katastrophenmeldung aufgenommen.
Schließlich sei ihr klar gewesen, dass ihr Familienleben auf den Kopf gestellt wurde und nichts mehr so sein würde wie früher.
Nun, zwei Jahre später, scheint sich Russlands First Lady gut in ihre neue Rolle eingefunden zu haben. Dem Moskauer Massenblatt Komsolskaja Prawda gab die 43-Jährige unter der Überschrift «Der Präsident Russlands ist in erster Linie Ehemann für mich» erstmals ein ausführliches Interview und erlaubte einen Blick hinter die Fassaden der Macht.
«Als First Lady bist du vor allem das weibliche Gesicht Russlands. Danach, wie du aussiehst, dich kleidest, wie du redest, Gäste empfängst, werden dein Staat, dessen Sitten und Gebräuche beurteilt», sagt die frühere Stewardess. Diese Rolle zu spielen und allen Erwartungen gerecht zu werden, sei manchmal sehr anstrengend. «Es ist schwierig, in dieser Situation du selbst zu bleiben. Das ist jedoch das Wichtigste. Jeder Mensch hat sein Kreuz zu tragen, und das gelingt ihm nach Kräften. Obwohl manche Menschen glauben, ihr Kreuz sei das schwerste von allen.»
Ludmilla Putina, die gern Kostüme im Chanel-Stil trägt und für sich maßschneidern lässt, blättert nicht in Modejournalen. «Ich verfolge nicht die Mode. Ich sehe, wie sich meine Freundinnen kleiden, und wähle auch etwas für mich aus. Ich liebe auffallende, stilvolle und originelle Kleidung.» Sie kaufe selbst gern Stoff und überlege sich dann, wie ein Kostüm aussehen könnte. «Das merke ich schon beim Befühlen des Stoffes.»
Via Internet und Fernsehen hält sie sich auf dem Laufenden. Zu Hause in der Staatsvilla Barwicha, einem prächtigen Anwesen im Westen Moskaus mit Swimming-Pool und Sporthalle, versuche sie, ihrem
Mann und den Kindern Katja und Mascha (15 und 16 Jahre alt) eine «Atmosphäre der Liebe» zu geben. Die Familie sitze, wenn es die Zeit erlaube, zusammen vor dem Kaminfeuer. Gestritten werde selten, obwohl sie mit ihrem Gatten nicht in allen Fragen übereinstimme. Zu Hause toben gleich drei Hunde durch die Zimmer: die zweieinhalb Jahre alte Pudeldame Tosja, deren ein Jahre alter Sohnemann Rodeo und der «Präsidentenhund» Koni, ein Labrador.
Von allzu freier Erziehung für die Töchter, die in der deutschen Schule in Moskau lernen und zweisprachig aufwachsen, hält Ludmilla Putina wenig. «Ein Kind sollte auch in der Freizeit mit irgendwelchen Aufgaben ausgelastet sein. Unsere Töchter spielen beispielsweise zeit ihres Lebens Geige. Natürlich wollen Kinder auf die Straße gehen, mit Puppen spielen oder einfach nur herumhängen. Das darf aber nicht ewig dauern.»
Schulnoten spielen im Hause Putin keine entscheidende Rolle. «Ich habe nie darauf gestarrt, welche Noten die Kinder nach Hause bringen. Das Wichtigste ist doch, dass sie sich Wissen aneignen.»
Ludmila Putina sieht auf der Habenseite des Daseins als Präsidentengattin, dass sie sich im sozialen Bereich engagieren kann und ihre Meinung gehört wird. So setzt sie sich für minderjährige Straftäterinnen ein.
Außerdem verbucht sie es als Plus, bei zahlreichen Auslandsreisen mit von der Partie zu sein und bei den Besuchen etwas für sich lernen zu können. «Wenn sich die Staatschefs unterhalten, erfahren wir doch gegenseitig etwas und lernen uns auch von der menschlichen Seite kennen.» Zugleich sieht sich die studierte Philologin, die fließend Deutsch, Französisch und Spanisch spricht, als Werbende in Sachen Russland.
Die Putins sind eine gläubige Familie. Wie Ludmilla Putina erzählt, besuchen sie einmal im Monat Gottesdienste der russisch-orthodoxen Kirche. Die First Lady selbst pilgert bisweilen ins Kloster. Zum letzten Geburtstag schenkte ihr Wladimir Putin ein goldenes Kreuz, das er aus Jerusalem mitbrachte und dort in der Grabeskirche segnen ließ.
Neujahr will sie in der Farbe Rot feiern. Sie sei zwar nicht abergläubisch, denke aber, das bringe Glück. Ihre Familie will sie zu Silvester mit Fischsuppe aus Zander und Hecht mit Tomaten und Sellerie verwöhnen. «Im neuen Jahr werden alle Russen einen neuen Schwung an Kraft spüren», ist sich Ludmilla Putina sicher.