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Toni Schönfelder A lifetime of innovation



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Toni Schönfelder
A lifetime of innovation

08.05.1999 Autor: Gisbert Mrozek Jelzins Briefträger Viktor Tschernomyrdin ist Moskaus Sonderbeauftragter für Jugoslawien und zur Zeit wohl der wichtigste Vertreter russischer Interessen MOSKAU, 7. Mai. Es gibt Zeiten, da läßt sich Viktor Tschernomyrdin ungerne an seinen Ausspruch erinnern, der längst zu einem geflügelten Wort in Rußland geworden ist: "Wir wollten es besser machen, aber es wurde wie immer." Er war damals schon drei Jahre lang Premierminister, als er die russischen Verhältnisse wohl eher unfreiwillig ironisch kritisierte. Jetzt ist er nur noch Jelzins Balkan-Beauftragter. Aber diesmal hat er gute Chancen, daß es tatsächlich besser wird. Als Viktor Tschernomyrdin nach seinen jüngsten Vermittlungsgesprächen in Washington unverzüglich zur Berichterstattung im Kreml antrat, belobigte Boris Jelzin seinen Sonderbeauftragten vor laufenden Fernsehkameras. "Er hat nicht alles gelöst. Damit hatten wir aber auch nicht gerechnet. Seine Aufgabe war, die Positionen in Bewegung zu bringen. Das hat er geschafft." Viktor Tschernomyrdin war sichtlich stolz auf das Lob. Zugetraut hatte ihm das niemand, als Boris Jelzin Mitte April ausgerechnet Viktor Tschernomyrdin zum obersten Balkan-Diplomaten ernannte. Warum sollte auch Tschernomyrdin nach drei Wochen Bombardements da weiterkommen, wo ein weltweit anerkannter Meisterdiplomat und erfahrener Krisenvermittler wie Jewgenij Primakow zunächst gescheitert war. "Über die diplomatischen Fähigkeiten Tschernomyrdins ist mir nichts bekannt, aber vielleicht weiß Jelzin da ja mehr", kommentierte höhnisch der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses der Duma, Wladimir Lukin. Weder elegant noch eloquent Tatsächlich schien es niemanden zu geben, der auf den ersten Blick ungeeigneter für die Mission gewesen wäre, mit diplomatischem Geschick die Interessen Rußlands gegen das stärkste Militärbündnis der Welt auf dem Balkan durchzu- setzen. Denn Viktor Tschernomyrdin fehlt jede Eloquenz der Sprache, jede Eleganz des Auftretens. Er redet nicht, er nuschelt. Seine Fernsehinterviews waren schon traditionell eine Qual für die Zuschauer und ihn selbst. Westliche Image-Berater haben ihn schon vor Jahren aufgefordert, Fernsehauftritte zu meiden. Er aber machte unbeirrt weiter, und trotz intensiven Trainings ist aus ihm bis heute wahrlich kein Redner geworden. Nur manchmal gelingen ihm ungewollt volkstümliche Aphorismen. Und den gekonnten Einsatz unflätigster russischer Flüche konnte er ohnehin nur hinter verschlossenen Türen beweisen, wenn es etwa darum ging, im Kabinett oder im Gazprom-Vorstand Minister und Mitdirektoren zusammenzustauchen. Zu seiner Sprache kommt seine Erscheinung: Der breitschultrige und kurzbeinige Tschernomyrdin wirkt immer ein wenig deplaziert auf der politischen Bühne. Aber dennoch ist er ein politisches Schwergewicht. "Er kann mit internationalen Spitzenpolitikern reden, wie niemand sonst das kann", bescheinigte ihm Boris Jelzin zur Ernennung. Und kaum hatte Jelzin den in Ungnade gefallenen früheren Premier zum Sonderbeauftragten für Jugoslawien erhoben, eilte bereits der deutsche Botschafter Jörg von Studnitz zu einer Audienz bei Tschernomyrdin. Er erläuterte ihm ausführlich den gerade ausgearbeiteten Plan Joschka Fischers für das Kosovo. Nach einer Stunde erklärte Viktor Tschernomyrdin knapp, die deutschen Vorstellungen seien allesamt bedenkenswert und machte sich selbst an die Arbeit. Die Voraussetzungen dafür waren schon vorhanden. Nicht nur der Vertrauensvorschuß des Präsidenten und das Tupolew-Sonderflugzeug mit allen Regierungskommunikationseinrichtungen für die fortlaufenden Lageberichte in Echtzeit, die sonst nur noch dem Präsidenten und dem Premierminister zustehen. Wichtiger noch war das politische und persönliche Kapital, das Viktor Tschernomyrdin selbst mitbrachte: Sein Image als unideologischer Pragmatiker und "Westler", seine langjährige Freundschaft mit US-Vizepräsident Al Gore, seine alte Bekanntschaft mit Slobodan Milosevic, seine guten Beziehungen in der deutschen Wirtschaft und Politik, fünf Jahre Erfahrung als Premierminister, drei Jahre als Gazprom-Konzernchef, vier Jahre als Sowjetminister für die Gasindustrie. Seine Hausmacht, der Gazprom- Konzern, kontrolliert zwei Drittel der Weltreserven an Erdgas. Gazprom-Pipelines überziehen ganz Europa. Das Imperium ist so groß, daß es nur plausibel erschien, als es Mitte 1997 in russischen Presseberichten hieß, Tschernomyrdin habe ein persönliches Vermögen von fünf Milliarden Dollar angehäuft und auf Sperrkonten im Ausland deponiert. Viktor Tschernomyrdin aber dementierte sofort unter Verweis auf seine recht bescheidene Lebenshaltung und seine Steuererklärung, in der er für 1996 gerade achttausend US-Dollar an Jahreseinkommen deklariert hatte. Ihm gehöre außerdem auch nur ein weißer Chevrolet-Jeep. Aktienbesitz habe er über- haupt nicht. Gazprom ist seine Macht Seine 150 Quadratmeter große Stadtwohnung hat er in demselben Haus angemietet, in dem auch die Jelzins wohnen. Tschernomyrdin hält sich aber meist auf seiner Datscha bei Moskau auf, die ihm 386 Quadratmeter Wohnfläche bietet und von einem zweieinhalb Hektar großen Waldgrundstück umgeben ist. Sein persönliches Steuerein- kommen konnte der Premierminister im Jahr 1997 immerhin auf eine Viertelmillion US-Dollar steigern. Bis heute ist Tschernomyrdin aufs engste mit Gazprom verbunden, dessen Chefsessel er für seinen Stellvertreter Rem Wjachirjew freimachte, als er 1992 zum Regierungschef ernannt wurde. Als Tschernomyrdin im April vergangenen Jahres von Jelzin wieder entlassen wurde, stellte ihm Rem Wjachirjew in alter Freundschaft noch eine Stadtresidenz in Kremlnähe zur Verfügung. Das heißt, eigentlich überließ Gazprom die Villa nicht Tschernomyrdin persönlich, sondern der Stiftung "Rußland 2001", deren Vorsitzender allerdings Viktor Tschernomyrdin heißt. Arm ist er wahrlich nicht, aber Tschernomyrdins größter Reichtum sind doch seine Beziehungen. Er begann seine Karriere 1960 als Betriebsingenieur in einer Raffinerie im Südural und diente sich dann unaufhaltsam nach oben. Seit 1978 arbeitete er im ZK der KPdSU, 1982 wurde er Vize-Gasindustrie-Minister der UdSSR. Später Minister, Sowjetabgeordneter und ZK-Mitglied. 1989 wandelte er sein Ministerium als erster in der Sowjetunion in einen Staatskonzern um, dessen Vorsitzender und Direktor er selbst wurde. Der äußerlich so unscheinbare Sowjet-Apparatschik wagte Neuerungen, vor denen andere noch zurückschreckten. Auch äußerlich: Er tauschte den grauen ZK-Dienstanzug schnell gegen modischere dunkle Anzüge. Doch nichts änderte sich daran, daß an der Gasindustrie für ihn weiterhin alles hing. Immer schon hat ihm seine Arbeit auch seine internationalen Beziehungen eingetragen. Beim Bau der "Druschba"-Pipeline in den 80er Jahren machte er die Bekanntschaft mit Slobodan Milosevic. Seine Freundschaft mit US-Vizepräsident Albert Gore schloß er 1993 in der Gore-Tschernomyrdin-Kommission, die sich auch mit Gas- und Öl-Fragen beschäftigte. Die deutschen Manager lernte er bei harten Verhandlungen mit der Ruhrgas und deren Konkurrenten, der BASF-Tochter Wintershall kennen. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion setzte Viktor Tschernomyrdin Gazprom virtuos auch als Machtinstrument ein. Die Gas- und Öl-Pipelines halfen jahrelang, die GUS zusammenzuhalten. Wenn nötig, erinnerte Tschernomyrdin die Nachbarrepubliken an ihre unbezahlten Energierechnungen. Und auch nach der Ernennung zum Jugoslawien-Beauftragten nutzte er sogleich die alten Beziehungstechniken. Nach kurzer Einarbeitungszeit in Moskau flog er nach Baku, Tiflis und Kiew, um gerade diese Nato-orientierten GUS-Republiken auf einen gemeinsamen Kosovo-Kurs zu bringen. Mit hemdsärmeliger Offenheit erinnerte er dort seine alten Bekannten, die Präsidenten Gaidar Alijew und Eduard Schewardnadse auch an ihre ungelösten Nationalitätenprobleme, an Bergkarabach, Abchasien und Ossetien. Die Botschaft des Moskauer Pragmatikers: Wer den Bestand der eigenen Republik nicht gefährden will, sollte keinen Kosovo-Separatismus unterstützen. Und bei dieser Gelegenheit empfahl Tschernomyrdin dann auch noch völlig undiplomatisch dem Westen, man möge doch auch nicht vergessen, daß es weltweit über hundert separatistische Bewegungen gebe. "Separatismus endet häufig mit Krieg", warnte Tschernomyrdin und erklärte: "Meine Aufgabe ist es, Argumente zu finden. Persönlichen Ehrgeiz habe ich dabei nicht." Tatsächlich sind aber natürlich hochfliegende Ambitionen ein Motor für seinen Einsatz. Schließlich hat er im vergangenen November offiziell seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr angemeldet. Wenn Tschernomyrdin auf dem Balkan einen Durchbruch schafft, dann ist sein Lohn dafür vielleicht das Amt im Kreml. Manchmal ist Tschernomyrdin die Kränkung direkt anzumerken, daß ihm bisher die höchste Anerkennung für seine treuen Dienste verwehrt blieb. "Fünf Jahre lang ha- be ich geackert wie ein Pferd", resümiert er seine Zeit als Premiermi- nister. "Jelzin war krank. Alles hing an mir, aber ich habe damit nicht geprotzt. Ich habe bewußt als Num- mer zwei gearbeitet, obwohl ich häufig tatsächlich die Nummer eins war. Das war falsch." Tatsächlich hatte Jelzin einmal Viktor Tschernomyrdin sogar notgedrungen kurzzeitig das höchste Insignium der Macht überlassen den Atomkoffer mit den Einsatzkodes für die russischen Interkontinentalraketen. Aber kaum war Jelzin nach seiner Herzoperation aus der Narkose erwacht, forderte er den Koffer wieder zurück. Und obwohl Viktor Tschernomyrdin immer klaglos in der Öffentlichkeit die Prügel für die Politik des Präsidenten bezogen hatte, entließ Jelzin ihn im Frühjahr 1998 dann überraschend. Der russische Verdienstorden zweiter Klasse, den Jelzin ihm zum Abschied verlieh, war da nur ein schwacher Trost. Primakows Degradierung Als Jelzin ihn nach dem großen Finanzkrach im Herbst 98 gegen den erklärten Willen des Parlaments wieder holen wollte, lehnte Tschernomyrdin dankend ab zugunsten von Jewgenij Primakow. "Ich trete doch nicht zweimal auf dieselbe Harke", erklärte er. Als Jelzin ihn allerdings zum Balkan-Beauftragten ernannte, und damit den Premierminister Primakow degradierte, zögerte Tschernomyrdin nicht. Er betonte nur, er werde in einem Team mit Primakow und Außenminister Igor Iwanow arbeiten. "Ich bin nicht der Briefträger der Nato. Beide Seiten müssen kompromißbereit sein", sagte er vor seiner ersten Pendelmission "wir denken an Rußland und nehmen seine Interessen im Kosovo war."

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