Ermittlungen gegen Piloten in Südafrika
Bericht über gekaufte Fluglizenzen bei South African Airways
wev. Johannesburg, Anfang Juli
In der südafrikanischen Luftfahrt findet derzeit der grosse Kehraus statt.
Trevor Abrahams, der Geschäftsführer der Zivilluftfahrtbehörde, sitzt seit
einigen Tagen in Untersuchungshaft, weil er unter Verdacht steht,
Pilotenanwärtern gegen Entgelt geholfen zu haben, ihre Fluglizenzen
widerrechtlich zu erwerben. Wie verlautet, wurden ihnen gegen einen Obolus
von umgerechnet 2500 Franken die Examens-Fragen zum vorgängigen Studium im
stillen Kämmerlein ausgehändigt. Bei den fraglichen Qualifikationen handelt
es sich um sogenannte ATP-Lizenzen (Airline Transport Pilot), die
Voraussetzung, um eine Passagiermaschine als Flugkapitän zu führen.
Vorläufig festgenommen wurden auch drei Co- Piloten der South African
Airways (SAA) und ein früherer Pilot von SA Airlink. Sodann ermittelt die
Staatsanwaltschaft gegen zwei weitere Angehörige der Zivilluftfahrtbehörde,
einen Piloten von Air Zimbabwe und den Privatpiloten eines Bergbaukonzerns.
Das Johannesburger Boulevardblatt «The Star» enthüllte, dass die fraglichen
Angestellten von SAA teilweise im Cockpit von Flugzeugen der Typen Boeing
747 und Boeing 737 eingesetzt worden seien. Madeleine Roscher, die
Pressesprecherin des SAA-Generaldirektors Coleman Andrews, präzisierte dazu,
dass keiner der Piloten, gegen die derzeit ermittelt wird, im Rang eines
Captains gestanden habe. Das heisse, dass sie mit den grossen
Passagierflugzeugen weder Starts noch Landungen ausgeführt hätten. Im
übrigen hatten alle drei die strengen internen Prüfungen der
Fluggesellschaft bestanden. Die SAA, an der die SAir-Gruppe aus Zürich mit
20 Prozent beteiligt ist, betonte, dass zu keiner Zeit eine Gefahr für die
Passagiere bestanden habe.
Gegenstand von Untersuchungen ist ausserdem die Frage, ob der Pilot Jan-Dirk
Heyns, der Mitte Dezember 1999 zusammen mit allen neun Passagieren beim
Absturz eines Kleinflugzeugs bei Johannesburg ums Leben kam, ebenfalls über
einen auf illegalem Weg erworbenen Flugschein verfügt hatte. Die Indizien
weisen bei jenem Unglück jedoch eher auf technische Probleme als auf
mangelndes Können hin, hatte Heyns doch immerhin 2000 Flugstunden hinter
sich.
Der Amerikaner Andrews, der als Vorsitzender der Geschäftsleitung die SAA
wieder in Schwung gebracht hat, beklagte sich in der jüngsten Ausgabe des
respektierten Magazins «Finance Week» darüber, dass Verbrechen und
Korruption in besonderem Mass ein südafrikanisches Problem seien. Seit er
den Chefsessel in Johannesburg übernommen habe, sei es zu 85 Verurteilungen
oder Rücktritten von SAA-Angestellten gekommen, die nicht zwischen Mein und
Dein hätten unterscheiden können.
Probleme haben die SAA auch mit dem Drogenschmuggel. Unlängst wurden 7
Mitarbeiter deswegen verurteilt. Dies bezeichnet Andrews indes als
internationales Problem und nannte die Zahl von 55, beziehungsweise 19 wegen
Drogenschieberei inkriminierten Angehörigen von American Airlines und
Lufthansa. Vergleichsweise harmlos - aber nicht ohne Folge für den
Firmenabschluss - sind kleinere Betrügereien wie beispielsweise das
Krankfeiern. Ehe Andrews seinen Posten antrat, hatte allein die
SAA-Frachtabteilung 550 Manntage jährlich verloren. Ein Jahr darauf waren es
nur noch 12. Andrews bemerkte dazu, dass es zwar nicht verboten sei, krank
zu sein: «Wir sind aber mit dem Fiebermesser in der Nähe.»
Die Untersuchungen über den kriminellen Erwerb von Pilotenlizenzen weisen
einmal mehr auf das in Südafrika weitverbreitete Korruptionsproblem hin.
Dass man echte Autoführerscheine und Pässe von bestechlichen Beamten
erwerben kann, wenn man weiss, wohin man sich wenden muss, ist bekannt.
Sogar die stellvertretende Vorsitzende der Nationalversammlung gestand,
nachdem sie mit entsprechenden Anschuldigungen konfrontiert worden war, dass
sie ihren Führerschein ohne Fahrprüfung, dafür gegen Aufpreis erworben
hatte.
Einschlägige Angebote an Firmen, wenn es um die Vergabe von Grossaufträgen
geht, sind sehr verbreitet. In den vergangenen Wochen wurde den Bürgern
Südafrikas einmal mehr drastisch vor Augen geführt, dass auch wichtigste
nationale Identifikationsfiguren nicht vor Korruption gefeit sind. Hansie
Cronjé, der frühere Captain der Cricket-Nationalmannschaft gestand in
tagelangen Befragungen vor einer Untersuchungskommission, dass er wiederholt
grössere Geldbeträge von Buchmachern eingesteckt hatte, um dafür das
Resultat eines Matches in ihrem Sinne zu beeinflussen. Man wird den Eindruck
nicht los, dass ein zu grosser Anteil der Akteure in der hiesigen
Geschäftswelt das «elfte Gebot» zur Lebensmaxime gemacht hat: Erlaubt ist
alles, so lange man sich nicht erwischen lässt.
Neue Zürcher Zeitung, 5. Juli 2000