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Toni Schönfelder A lifetime of innovation



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Toni Schönfelder
A lifetime of innovation

DIE ZEIT august woche 33 / 2001 M A U E R B A U Eingemauert im Paradies Niemand war ihr gewachsen: Mit dem Bau der Mauer vor vierzig Jahren begann eine Geschichte der Selbsttäuschungen. Intellektuelle aus Ost und West dachten über die Grenze hinweg - aber meistens in die falsche Richtung Von Günter Kunert Es fing damit an, dass das Telefon klingelte und eine aufgeregte Stimme rief: "Schaltet sofort die Nachrichten ein!" Wahrscheinlich wurde niemals vordem und niemals nachher wieder derart häufig telefoniert wie an diesem Morgen des 13. August 1961. Ließen sich Emotionen in Temperaturen umsetzen, hätten in jenen Stunden die Drähte schmelzen müssen. Am Anfang war der Stacheldraht, am Ende der "antifaschistische Schutzwall", ein anachronistisches Bauwerk, eher dem Mittelalter zuzurechnen als dem 20. Jahrhundert. Und weil die Mauer so unzeitgemäß gewesen ist, konnte sie in einer globalen Dorfgemeinschaft auch nicht von Dauer sein. "Sie wird noch hundert Jahre Bestand haben ..." - Honeckers späte Behauptung: nichts als leeres Gefasel eines Flachkopfs. Aber von diesem 13. August an bestimmte das Bauwerk unser Schicksal. Durfte vorher jedermann seines Unglücks Schmied sein, so war ihm diese Mühe nun abgenommen. Die Mauer zog sich durch das Seelenleben aller, die sich ab dem Datum in eine gesellschaftliche Nische zurückzogen, um zu "überwintern". Wem der Mauer Anblick entgangen ist, kann sich ihre Auswirkung kaum vorstellen. Und Fotografien geben bloß den äußerlichen Eindruck wieder. Alsbald wird niemand mehr wissen, dass sie auf gewisse Weise ihre Analogie in einem bekannten Märchen besaß, nämlich in Dornröschen, weil wie in diesem ein seltsamer Zustand die Eingeschlossenen befiel. Wie die Prinzessin sank auch das Gesinde in eine Art Schlaf; die Zeit blieb ganz einfach stehen. Draußen nahmen die Weltläufte ihren sich beschleunigenden Fortgang, im "Schloss" jedoch döste man mehr oder minder ungemütlich vor sich hin. Was in weiter Ferne von ein paar Kilometern geschah, nahm man ausschließlich durch mediale, ergo irreale Vermittlung wahr und sehnte sich nach Teilhabe an der falschen Munterkeit einer ausufernden Industriezivilisation. Erpresste Langsamkeit Merkwürdigerweise beneideten viele Außenstehende oftmals die Eingesperrten um ihren verlangsamten Daseinsrhythmus, um den reduzierten Pulsschlag des individuellen wie des öffentlichen Lebens. Ja, ja - bei uns ging es gemächlich zu, und irgendwann einmal waren die zehn Jahre, welche man auf ein Pappmobil, zärtlich Trabi geheißen, warten musste, auch vorüber. Unsere Brüder und Schwestern aus dem nahen Westen gerieten ins Schwärmen, sobald sie durch unsere verfallenen Dörfer kurvten, über holprige Alleen, durch die verkommenen Gassen der Kleinstädte. Hier fanden sie wieder, was sie offenkundig vermissten: den Mief der kleinen, engen Welt. Ein Gestern, bewahrt durch den allmächtigen Herrscher namens Mangel. Klarer gesagt: Die Westler, verstört durch das rapide zunehmende Tempo innerhalb ihres eigenen Umfeldes, glaubten hinter der Mauer die anheimelnde Vergangenheit wiederzufinden, aus der sie verstoßen worden waren. Dennoch: Spätestens nach Mitternacht endete die Illusion, wenn die Besucher aus dem Westen in ihren lichtdurchfluteten Bereich - und zwar aufatmend - zurückkehrten, ohne sich der Empfindungen der Zurückbleibenden bewusst zu werden. Sie nahmen, außer einigem kunstgewerblichen Kram oder trostlosen Büchern, die Gewissheit mit, dass es den Eingemauerten doch keineswegs so schlecht gehe wie angenommen. Freilich: Die Mühen der Ebene, sich als gleichwertiger Gastgeber präsentieren zu können, ahnte keiner der Eingeladenen. Und die Gastgeber selbst genierten sich ob ihrer verschämten, aber nicht selbst verschuldeten Ärmlichkeit. Obwohl: Mancher mochte auf Dauer die Borniertheit der Mächtigen und die eigene Wehrlosigkeit nicht ertragen. Nur weg, nur hinaus aus dem real existierenden Paradies, wo man sogar nach Äpfeln anstehen musste. Hinauszugelangen bedurfte es Kühnheit, sogar Tollkühnheit, um sich wie ein Maulwurf unter der "Grenzbefestigung" hindurchzugraben oder sich einem Schleuser anzuvertrauen, der einen mit falschen Papieren oder in einem manipulierten Auto ins Freie schaffte. Viele solcher waghalsigen Unternehmungen erforderten Fantasie. Erinnert sei an eine Gruppe einfallsreicher Schelme, die ganz besonders trickreich entkamen. Sie wussten, dass zum Jahrestag der "Befreiung vom Faschismus" eine Kolonne sowjetischer Militärfahrzeuge zum Tiergarten nach West-Berlin rollte, wo ein Ehrenmal für die gefallenen Rotarmisten stand. Unsere tapferen Schneiderlein nähten sich Kopien sowjetischer Uniformen, erstanden einen alten Pobeda, eine sowjetische Nachschöpfung des Buckel-Volvo, lackierten den in der Farbe der "zeitweilig in der DDR stationierten" Klassengenossen, banden einen Kranz mit roten Schleifen auf dem Dach fest und harrten des günstigsten Augenblicks. Dann schlossen sie sich der russischen Delegation an, für die keine Grenzkontrollen existierten. Aber das Auto war ein halbes Wrack, das Getriebe versagte, die Gänge ließen sich nicht mehr schalten, doch schließlich, vermutlich schweißgebadet und mit rasendem Puls, gelang es den falschen "Freunden", wie der offizielle Sprachgebrauch die Russen titulierte, im Schritttempo die Grenze zu überqueren. Kaum abzuschätzen, wie viele Fluchtpläne damals entworfen und verworfen wurden. Ich möchte wetten, dass es, bis auf die Stützen der popligen Gesellschaft, keinen gegeben hat, der nicht dann und wann mit dem Abhauen liebäugelte. Jedoch bis zur Ausführung, bis zum Abschied vom verhängten Fatum war es ein weiter Weg, bei dem schon die meisten resignierend auf der Strecke blieben und sich mit Brechts Keuner-Geschichte über den Diener der Macht trösteten, welch Letzterer, von der Macht befragt, ob er ihr dienen wolle, sich ihr unterwirft, sich nach dem Ableben der Macht die Hände wäscht und mutig "Nein" sagt. Von solchen Keuner-Typen wimmelte das Land - darum die Dauer des an sich äußerst fragilen Systems, das ausschließlich auf echte Rotarmisten baute. Andere wiederum waren durch Zufall, vielleicht durch psychisch bedingte Blindheit und Ahnungslosigkeit, in die Falle geraten und konnten den Käfig nicht mehr verlassen. Unser Anrufer, nach dessen Durchsage wir die Nachrichten eingeschaltet hatten, erschien wenig später tränenüberströmt bei uns, über dem Arm einen Haufen Kleidungsstücke. Unser Freund Karl-Heinz hatte bereits mit Frau und zwei Kindern und den Flugtickets nach Frankfurt am Main in Tempelhof gesessen, als es ihn überkam und er noch einmal am 12. August in den Ostsektor zurückfuhr. Leider spielte ihm Walter Ulbricht, der ja bestritten hatte, eine Mauer bauen zu wollen, einen schlimmen Streich. Als Karl-Heinz am Morgen des nächsten Tages nach Tempelhof wollte, fand er das Tor verschlossen. Im Freilichtgefängnis Und es hat sich für ihn auch nie mehr aufgetan. Die "Hauptstadt der DDR" wurde zu seiner letzten Ruhestätte. "Und was sollen die Kleidungsstücke, Karl-Heinz?" - "Die bringt doch bitte meiner Frau zum Flugplatz ..." Wie sollte das möglich sein? Nun, viele Ärzte und Künstler besaßen einen "Propusk", eine "Green Card", die dazu berechtigte, mit dem Auto nach West-Berlin zu kutschieren, und wir hatten ebenfalls eine solche Karte erhalten. Und das Wunder geschah! Erich Honecker, verantwortlich für die Abriegelung, hatte vergessen, diese Karten für ungültig zu erklären. Darum gelang es im letzten Moment manchem Arzt, das Weite zu suchen. Also könnten wir probieren, ob es uns gelingen würde, die Sachen ihren Empfängern zuzustellen. Mit diesem unbeschreiblichen Gefühl in der Magengegend und flatternden Händen an einem glitschig-feuchten Lenkrad gelangten wir zum Tor, zum Brandenburger, wie es uns die grüne Karte zuwies. Vor einem Offizier stoppend, reichte ich das Sesam-öffne-dich durchs Fenster. "Sie können fahren, aber Ihre Frau bleibt hier ..." Der arme Tropf hatte die Rechnung ohne die Wirtin gemacht. Sie nämlich fragte eisig, ob er denn nicht lesen könne, da stehe deutlich sichtbar: "Mit Frau." Kleinlaut retournierte der wachhabende Sklave die Karte und winkte uns hinaus, hinfort, hindurch. Jenseits des Tores fingen die Westberliner an, sich zum nutzlosen Protest zu versammeln. Rasch nach Tempelhof, um unsere Freundespflicht zu erfüllen, um auf Wiedersehen zu sagen und: "Bestimmt kommt Karl-Heinz bald nach ..." Wie naiv wir gewesen sind. Wir glaubten tatsächlich, der vorherige Zustand offener Grenzen würde sich nach einer Weile wiederherstellen. Vielleicht bildete unsere unsinnige Hoffnung auf künftige Westtouren so etwas wie ein Sedativ. Man wollte sich die bittere Wahrheit nicht eingestehen. Dabei hätte ich, dessen Biografie von ausreichend schlechten Erfahrungen überquillt, es besser wissen müssen. Es kommt doch immer schlimmer, als man denkt. Und der Standardspruch meiner Mutter "Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird!" war mir schon lange verleidet. Nach der Heimkehr in die örtliche Tristesse hockte man mit Freunden zusammen, endlos Spekulationen und Hypothesen produzierend. Am idiotischsten schien mir die laut geäußerte Meinung einiger Schriftsteller und anderer Antiintellektueller, endlich seien wir unter uns, vom Feinde unbehelligt, das brächte uns mehr Freiheit für unser künstlerisches Schaffen. Darüber konnte man nicht einmal mehr höhnen. Es war vorhersehbar, dass man ab heute mit unliebsamen Zeitgenossen nach Bedarf und Lust und Laune umspringen konnte und würde, wie man wollte. Daher lautete die unausgesprochene Parole: Sich arrangieren. Vor dem Fernseher sitzend, ständig erneut den Volksarmisten über den Stacheldraht jumpen sehend, ein signifikantes Bild von enormer Eindringlichkeit, da es immerhin die Einladung zum Mittun, zum Abspringen implizierte, ward des Grübelns kein Ende. Die Mauer traumatisierte Massen von Menschen, und obgleich verschwunden, steckt sie noch immer in uns. Damit meine ich keinesfalls den irgendwann abklingenden Dissens zwischen Ost- und Westdeutschen, ich meine es ganz wörtlich. Noch 40 Jahre nach ihrer Errichtung, 11 Jahre nach ihrem Fall, spukt sie durch meine Träume. Heute Nacht chauffierten mich zwei russische Journalisten in ihrem Auto nach Berlin-Kreuzberg, dem Bezirk, in dem ich aufwuchs, damit ich ihnen zeigte, wo das Machwerk gestanden habe. Ich bin dann vorsichtshalber aufgewacht. Insofern hat sie sich allen, denen sie, pathetisch gesagt, zum Schicksal wurde, dauerhaft eingeprägt, ja, eingebrannt. Schade, dass dieses Brandmal nicht genetisch vererbbar ist. Der Schriftsteller Günter Kunert, 1929 geboren, verließ 1979 die DDR in Richtung Westen. Zuletzt veröffentlichte er "Nachrichten aus Ambivalencia"

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